Skip to main content

Identität und Selbstwertgefühl

Zusammenfassung des Vortrages von Frau Prof. Dr. V. Kast am 26.10.2005
Entscheidender als Erfolg ist das Gelingen wichtiger menschlicher Beziehungen. Da hat jeder Mensch seine Chancen.

Zusammenfassung des Vortrages von Frau Prof. Dr. V. Kast am 26.10.2005

Wir verändern uns ein Leben lang, und wir bleiben doch auch dieselben. In verschiedenen Lebensbezügen zeigen wir verschiedene Aspekte unserer Identität - und es bleibt doch immer unsere Identität.

Ist die Idee, dass wir Menschen einen Kern der Identität haben, dass aber auch in der Interaktionen mit unserer Innenwelt und mit anderen Menschen unsere Identität immer auch in Arbeit ist, eine Illusion?

Der Körper gilt als Basis der Identität, je breiter die Identität abgestütz ist desto stabiler sind wir. Nach Petzold werden fünf Säulen definiert welche als die entscheidend wichtigen Träger des Fundamentes der Identität gelten.

Die fünf Säulen

  • Leib: Ich stehe in einem Verhältnis zu meinem Leib.
  • Soziales Atom: Ich stehe in einem Verhältnis zu Menschen, die mir am nächsten stehen.
  • Ökologische Sicherheit: Ich stehe in einem Verhältnis zu meiner Um- und Mitwelt.
  • Tätig-Sein: Ich stehe in einem Verhältnis zu meinen konkreten Handlungen in der Welt (wichtig ist hier, die allgemein gehaltene Formulierung „Tätig-Sein“, auch Rentner, Hausfrauen, berufsunfähige und arbeitslose Menschen haben die Chance tätig zu sein!).
  • Zukunft: Ich stehe in einem Verhältnis zu dem was auf mich zukommt.

Tatsache ist, dass wir unsere Identität immer wieder von neuem definieren und erfinden müssen. Die Identität und das Selbstwertgefühl gehören unausweichlich zusammen, denn so wie ich der Welt erscheine (nach Jungscher-Theorie, Persona) und was ich der Welt verberge (Schatten) so zeige ich meine Identität.

Durch Anpassung an uns selber und an die Gesellschaft, um Akzeptanz zu erleben, sind wir auf der Suche nach der eigenen Identität und so auch immer hin und her gerissen zwischen wahrem Selbst und falschem Selbst. Um mit Schicksalsschlägen umzugehen brauchen wir eine Identität.

In der Adoleszenz werden folgende Identitäts-Zustände definiert:

  • Übernommene Identität (kopiert abgeschaut)
  • Diffuse Identität (unentschlossen)
  • Diffuse Identität mit Moratorium (abwartende)
  • Erarbeitete Identität (prüft und findet einen eigenen Standpunkt) -> gilt als Beste!

Identität in der Kontinuität

Das Gedächtnis versucht Zusammenhänge zu finden mit der eigenen Lebensgeschichte und hat so die Tendenz immer eine „gute“ Geschichte zu machen. Diese Vorgehensweise ist erforderlich um einem das Gefühl zu vermitteln „ein gutes Leben“ zu leben. Das neu erlebte Selbst braucht Wurzeln in der eigenen Geschichte (kreativ-konstruktive Funktion unseres Gedächtnisses).

Mit der Entwicklung des Selbst wird auch die Identität gebildet, das Selbstwertgefühl fundiert die Identität. Der Kern des Selbstbildes ist das anerkennende lächeln einer verlässlichen Bezugsperson! Der Glanz in den Augen der Mutter gibt dem Kind erst die eigentliche Lebensberechtigung. Anerkennung / Achtsamkeit als von aussen kommendes Bezeugnis des Selbstwertgefühls.

Die Selbstakzeptanz von Fehlern und Schwächen (Schatten) führt zu einem höheren Selbstwertgefühl, denn die Eigenwirksamkeit und das Selbstwertgefühl korrelieren sehr gut miteinander. Mit einem guten Selbstwertgefühl ist es viel leichter eine Identitätskrise zu lösen. Wichtig ist zu begreifen, dass man sich immer neu verändern kann! Die Identität hat nicht nur mit uns zu tun, sondern auch mit den Andern.

Identitätsentwicklung, Mut zum Selbst

Vortrag von Frau Prof. Dr. B.Boothe am 23.11.2005

Identität ist etwas was Andere aus uns machen. Wir kommen durch Andere zu uns selbst. Menschen müssen willkommen sein um überleben zu können.

Eltern vermitteln dem Kind die Empfindung es sei für sie etwas ganz bestimmtes. Dadurch wird die Ursehnsucht gestillt nach dem Gefühl „ ich werde ganz und gar geliebt (bedingungslose Liebe). Auch Höflichkeitsformen sind Urformen von ersten positiven Begrüssungen.

Die Kehrseite ist die Kindesvernachlässigung bei der Hinweise und Signale des Kindes keine Beachtung finden. Am Anfang des Lebens ist der sinnliche Wahrnehmungs-Lebensbereich die Welt des Kindes und so das Lustprinzip.

Zwei grundsätzliche Fragen beschäftigen das Kind:

  • Was ist hier los, ich möchte mich auskennen.
  • Wie geht es mir, wie fühle ich mich.

Durch die Fragestellung „wie geht es mir, wie fühle ich mich“ entsteht eine Illusionsbildung bedingt durch die subjektive Beurteilung.

Die Frage „was ist hier los“ ist wunschbefreit, fordert aber Mut und auch Risikobereitschaft, denn die Antwort ist offen. Die Sauberkeitserziehung ist eine elementare Erfahrung wo Differenzen der Kräfte für das Kind bewusst werden. Es stellt sich die zentrale Frage „wo muss ich gehorsam sein?“ Eine Identitätskundgebung entsteht durch die Formulierung „ ich will „.

Wenn das Kind glaubt, Eltern können alles erkennen, verbietet sich das Kind selbst böse Gedanken und hält sie von sich fern. Für das Identitätsempfinden sind die Folgen ersichtlich durch ein Selbstverlust und durch das Fehlen der unbefangenen Offenheit und Ehrlichkeit. Orientierungen und Vorbilder fehlen dann, obwohl sie so wichtig wären für die Identitätsentwicklung.

Selbstbewusstheit, Autonomie und Orientierung braucht Abgrenzung, eigenes Suchen und die Frage „was ist hier los“.

Ein mutiges Kind das Risiken eingeht kann deswegen beschämt und gekränkt werden. Dadurch lernt es aber auch diejenigen Darbietungen immer wieder zu überdenken um dann gestärkt weitere Versuche einzugehen. Der Vergleich mit der Konkurrenz, Neid, Rivalität ist unbeliebt. Der Trost und die Mobilisierung eigener Ressourcen durch Rückzug kann dann stattfinden, wenn die Urerfahrung gelebt und die Erkenntnis mitgenommen werden konnte, dass man sich ja auch selbst lieben könnte.

„Ich akzeptiere mich selbst“! Mit dem tollen Nebeneffekt und der Erkenntnis, „ich bin ja nicht darauf angewiesen“.

Identität ist ein Entwicklungsprozess!

Störungen der Identität

Vortrag von Prof. Dr. J.Modestin am 16.11.2005

Identität (von lat. idem = derselbe). Selbigkeit, völlige Übereinstimmung.

Die als leiblich, psychische Einheit erlebte eigene sich selbst bewusste Persönlichkeit.

Persönliche subjektive Identität.

Ich betrachte mich.

Wer bin ich, wie erlebe ich mich?

Verschiedene Identitätsaspekte:

Inhaltlicher Aspekt

  • Kohärenz (von lat. Cohaerere = zusammenhängen)
  • Stimmigkeit auf das erlebte Selbstbild

Zeitlicher Aspekt

  • Kontinuität in der Zeit

Individualitätsaspekt

  • Einmaligkeit des persönlichen Erlebens

Realität

  • Übereinstimmung des persönlichen Aspektes mit den sozialen Aspekten

Komponenten der Identität (nach K.Hausser)

  • kognitives Selbstemotionaler Selbstwertmotivationale Kontrollüberzeugung
Dynamik der Identitätsbildung (nach Marcia)
  • Suche + Findung + -> Identity Achievement
  • Suche + Findung -- -> Moratorium / Aufschub
  • Suche -- Findung + -> Foreclosed Identity
  • Suche -- Findung -- -> Identitätsdiffusion

Identitätskrisen lebenszyklusgebunden

  • Adoleszentenkrise
  • Empty-nest Syndrom Leer-Nestsyndrom ist eine Bezeichnung, die allgemein für einen psychologischen oder emotionalen Zustand verwendet wird, der eine Frau um die Zeit beeinflussen kann, wenn ihrer Kinder das Haus verlassen.
  • Midlife crisis
  • Pensionierungsschock

Akzidentelle Identitätskrise (zufällig auftretend)

  • nach radikalen Veränderungen der Lebenssituation
  • Sozialer Aufstieg / -Abstieg
  • Adoptionsenthüllung

Dynamik Akkulturation / Identitätskonflikte Migration -> marginal personalities

  • Alte Kultur + Neue Kultur + -> Integration
  • Alte Kultur + Neue Kultur -- -> Separation
  • Alte Kultur -- Neue Kultur + -> Assimilation
  • Alte Kultur -- Neue Kultur -- -> Dekulturation

Rollenindizierte Identitätsveränderung

Soziale Identität ändert die persönliche Identität.

  • Kriminelle
  • Chronisch Kranke
Identitäts-Störungsdefinition nach DSM-III-R

DSM = Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen.

Definition bei Unsicherheit, Erfüllung von mindestens 2 von 5 Zuordnungen, betreffend:

  • persönliches Selbstbild
  • sexuelle Orientierung
  • langfristige Ziele
  • interpersonelle Beziehungen
  • bevorzugte Werte

Instabilität zeigt sich ausgeprägt auf den Selbstwert und das Selbstwertgefühl.

Unsicherheit

Selbstcharakterisierung

  • Versagen
  • Inkosistenzen (eher schlecht)
  • Differenzen in Schilderungen und Verhalten

Instabilität, Test durch SKID-II Fragebogen

SKID-I und SKID-II können bei ambulanten und stationär behandelten Patienten mit psychischen Störungen im psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich eingesetzt werden.

Das SKID-I dient der Erfassung und Diagnostik ausgewählter psychischer Syndrome und Störungen, wie sie im DSM-IV auf Achse I definiert werden. Außerdem werden Kodierungsmöglichkeiten für die Beurteilung von Achse III (körperliche Störungen) und Achse V (Psychosoziales Funktionsniveau) angeboten. Alle Diagnosen werden im Längs- und Querschnitt sowie mit Zusatzinformationen über Beginn und Verlauf erhoben. Folgende DSM-IV Diagnosen können im SKID-I auf Achse I beurteilt werden: Affektive Störungen, Psychotische Störungen, Störungen durch Psychotrope Substanzen, Angststörungen, Somatoforme Störungen, Essstörungen und Anpassungsstörungen. Das SKID-II ist ein Verfahren zur Diagnostik der zehn auf Achse-II sowie der zwei im Anhang des DSM-IV aufgeführten Persönlichkeitsstörungen. Das SKID-II ist ein zweistufiges Verfahren, bestehend aus einem Fragebogen, dessen Items die Kriterien des DSM-IV repräsentieren und der als Screening für die Merkmale der zwölf erfassten Persönlichkeitsstörungen dient. Im nachfolgenden Interview brauchen dann nur noch diejenigen Fragen gestellt zu werden, für die im Fragebogen eine «ja»-Antwort angekreuzt wurde. Durch dieses zweistufige Verfahren wird eine vergleichsweise geringe Durchführungszeit für das Interview erreicht. Aus dem Fragebogen z.B.:

  • 91. „Haben sie schon die Erfahrung gemacht…“
  • 92. „Erleben sie häufig…“
  • 93. „Ändern sie plötzlich ihre Zielsetzungen…“

Borderline Störung, gekennzeichnet durch:

  • 1. Störung der Identität
  • 2. Störung der interpersonellen Beziehungen
  • 3. Störungen der Emotionalität und der Affektivität (des Zustandsgefühls)

Borderline-Störungen, auch als Borderline-Syndrom bezeichnet, gehören zu der diagnostischen Gruppe der Persönlichkeitsstörungen. Diese Diagnose wird dann gestellt, wenn sich bei einer Person anhaltende und weitgehend gleichbleibende Verhaltensmuster zeigen, die durch starre unangemessene Reaktionen in unterschiedlichen persönlichen und sozialen Lebenslagen gekennzeichnet sind. Problematisch bei dieser Diagnose ist, dass nicht einzelne Verhaltensweisen als "Störung" bezeichnet werden wie bei anderen psychischen Erkrankungen (z.B. Angststörungen), sondern eine Beurteilung der Person an sich erfolgt. Auch sind die Grenzen von persönlichen "Macken" (bzw. hervorstechenden Persönlichkeitseigenschaften) zu einer gestörten Persönlichkeit oft schwer zu ziehen. Deshalb sollte diese Diagnose nur gestellt werden, wenn die sozialen Beziehungen des Betroffenen so stark beeinträchtigt werden, dass die berufliche und private Leistungsfähigkeit deutlich herabgesetzt ist. Meist entsteht für diese Personen erhebliches persönliches Leid.

Dissoziation / Störung der normalen Integration

Zeichnet sich aus durch

  • Amnesie (Gedächtnisverlust)
  • Derealisation (Fremdheitsgefühl)
  • Konversion (Umwandlung Verschiebung)
  • Multiple Persönlichkeit (Persönlichkeitsstörung z.B.Schizophrenie)

Identitätsstörung bei psychotischen Patienten z.B. bei Schizophrenie

  •  Gefühl der Ferne und der Fremdheit
  • Unvertrautheit sich selbst gegenüber (Depersonalisation)
  • Schwere Formen der Identitätsstörung
  • Wahnhafte Annahme einer anderen Identität meist mit „doppelter Buchführung“.
  • Abstammungswahn
  • Tieridentität